Freitag, 20. Januar 2012

go hear

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Kurzkritik einer Nicht-Wagnerianerin:
Musik - erstaunlich gut und eingängig. Kostüme - brilliant. Bühnenbild - nett. Inszenierung - weniger wäre manchmal mehr. Insgesamt - ein guter erster »Tannhäuser« für mich.

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Short review of a non-Wagnerian:
Music - surprisingly good and catchy. Costumes - brilliant. Stage set - nice. Production - sometimes less would be more. Overall - a good first »Tannhäuser« for me.





Kritik eines Wagnerianers:
»Tannhäuser«, die »unfertige« Wagner-Oper, das Stück der Gegensätze - Bewegung und Erstarrung, Eros und Religion, Künstler und (adelige) »Bürger«, italienische Große Oper und neudeutsches Musikdrama - hier (in Essen) in einer Deutung des intellektuellen Visionärs unter den Vertretern des deutschen Regietheaters, Hans Neuenfels: Ungemein kurzweilig, auch den ironisch-doppelbödigen Aspekten der Personenkonstellation gerecht werdend, üppig bebildert, mit einer leichten Tendenz zur Erklärungswut (in Form von nicht immer wirklich tiefsinnigen Textprojektionen) und einem poetisch-schlüssigen Ende. (An dieser Stelle ein Extra-Lob an die Kostüme (und Figurinen im Programmheft!) von Reinhard von der Thannen!)
Eine Wendung sticht besonders hervor: Es begegnen sich auf offener Bühne Wagner (in Gestalt der Hauptfigur, Minnesänger Heinrich Tannhäuser) und - König Ludwig II (stumme Rolle). Der beiden Zusammenspiel scheint dabei nicht immer frei von Gezwungenheit und Widerstreben, besonders auf Seiten des Künstler-Komponisten. Eine mögliche Deutung: Hier stellt sich pantomimisch dar die Begegnung, das gegenseitige Missverständnis und die Vereinnahmung von innovativer, selbstbewusster Kunst ohne Kompromisse durch eine Art von »Gefühls-Kitsch«, der durch seine Eingängigkeit und Massenkompatibilität seit dem Biedermeier die Oberhand in der allgemeinen Kunstwahrnehmung gewonnen zu haben scheint. In diesem Falle: Ludwigs Avancen an Wagner sind sanfte, doch eigentlich lähmende Rosenketten, seine (Geld-)Gaben in Wahrheit Danaer-Geschenke ...
Ein Schmankerl, das die inszenatorische Bezugnahme auf Wagners 19. Jahrhundert (allzu) deutlich illustriert: Man zeigt im II. Aufzug (»Wartburg«-Szene) in Essen zentral den ikonischen Doppelbock von Schacht XII der Zeche Zollverein - ein (richtiger) Hinweis wohl auf die alles prägende Rolle des »bürgerlich-industriellen Komplexes« und seine prekäre Verbindung zu Kunst und Kunstproduktion, doch in seiner an den Lokalpatriotismus appellierenden Manier etwa so als brächte man in Mainz die »Schwellköpp’« auf die Bühne (was - nebenbei bemerkt - auch schon geschehen ist) ...
Ach ja, gesungen wurde natürlich auch (übrigens ein Fehler vieler Kritiken, auch dieser hier, die musikalischen Leistungen stets zum Schluss und quasi nebenbei zu behandeln): In einem insgesamt sehr homogenen Ensemble von Sängern und Orchester hinterließen einen besonders guten und bleibenden Eindruck drei Einzelpersonen: Allen voran die (im Wortsinne) überragende Venus der Astrid Weber mit einem in allen Lagen üppigen, nie schrillen hochdramatischen Sopran, der die Klangmassen des Orchesters mühelos durchdrang (man möchte sie als Isolde, vielleicht als Salome erleben), dann der volle, saftige, dennoch sehr kultiviert geführte Tenor von Andreas Hermann (Walther) mit guter Höhe (den ich gerne auch einmal im Liedfach hören würde und der mich aus irgendeinem Grunde entfernt an Ernst Kozub erinnert hat) sowie der souveräne, Wagner-erfahrene und hörbar Wagner-geneigte Generalmusikdirektor Stefan Soltesz. (KE)

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